Vom 12. bis 16. April öffnet die HANNOVER MESSE ihre Tore in virtueller Form. Die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IWU zeigen dort herausragende Lösungen aus den Anwendungsfeldern Anlagen- und Maschinenbau sowie Mobilität und Energie. Mit diesen steigen Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Produktion, wovon KMU und Großindustrie direkt profitieren können.
»Die virtuelle Messe ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass
konsequente Digitalisierung neue Wege und Formate für ein intensives
Co-Working zwischen Forschung und Industrie eröffnet und so innovative
Lösungen mit hoher Anwendungsreife in kurzer Zeit entstehen. Forschung
für die kognitive Produktion der Zukunft transferiert Kreativität in
Wertschöpfung«, sagt Prof. Dr. Welf-Guntram Drossel, geschäftsführender
Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und
Umformtechnik IWU.
Mobilität der Zukunft
Die Herausforderungen an aktuelle und zukünftige Mobilitätslösungen
sind immens: Einerseits gilt es, dem weiterhin zunehmenden Wunsch nach
Individualisierung gerecht zu werden und andererseits aber auch die
verkehrsbedingten CO2-Emissionen deutlich zu senken. Die produktions-spezifischen Lösungen des Fraunhofer IWU zeigen, wie dies gelingen kann.
CoolGear: Umweltfreundliche und ultraleichte Getriebe für Elektroantriebe mit konturnaher Innenkühlung ohne Schmiermittel
Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Um sie möglichst
umweltfreundlich zu gestalten, bedarf es weiterer Innovationen. Dazu
gehören schmiermittelfreie und somit nahezu wartungsfreie Getriebe, die
durch extremen Leichtbau dabei helfen, das Fahrzeuggewicht zu
minimieren. Die Herstellung mit 3D-Druck-Verfahren, hier dem
pulverbettbasierten Laserschmelzen von Metall in Kombination mit
filamentbasiertem Kunststoff-3D-Druck, ermöglicht eine geringe Masse bei
Beibehaltung von Stabilität und Festigkeit. Die 3D-gedruckten
Strukturen werden dafür dem Kraftfluss im Getriebe angepasst. Das spart
zugleich Material. Die Produktion wird ressourceneffizienter. Ein
weiterer großer Vorteil der additiv gefertigten E-Fahrzeug-Getriebe:
›Cool‹ werden sie durch eine konturnahe Innenkühlung, die Schmiermittel
überflüssig macht. Auch das schont die Umwelt.
Einsatz von Formgedächtnislegierungen: durch Gesten verformbare Ablageflächen
Besonders praktisch für Car-Sharing-Fahrzeuge: Eine neuartige
Ablagefläche des Fraunhofer IWU und des Automobilzulieferers Brose
Fahrzeugteile versteckt sich im Armaturenbrett und bildet sich nur dann
aus, wenn sie benötigt wird. Das funktioniert mit einer
Formgedächtnislegierung. Bewegt der Nutzer seine Hand über die
entsprechende Stelle des Armaturenbretts, wird dies von einem Sensor
registriert. Daraufhin fließt für einen kurzen Moment Strom durch die
Legierung, sie verformt sich und es entsteht eine Schale.
Verzicht komplexer Kabelstränge: Robuste Leiterbahnen, Sensoren, Tasten oder Heizelemente direkt auf Bauteile drucken
Wie begegnet die Industrie der zunehmenden Variantenvielfalt durch
immer individuellere Kundenwünsche, z. B. in der Automobilproduktion?
Ein Lösungsansatz ist der vollständige Verzicht auf komplexe
Kabelstränge. Stattdessen werden elektrische Leitungen, Sensoren, Tasten
oder Heizelemente einfach auf 3D-gekrümmte Bauteile gedruckt. Das
Drucken – etwa von Leitungen für elektrische Fensterheber – übernimmt
dabei ein Roboter. In Kombination mit einem Lasertrockner des
Forschungspartners Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT können so
nicht nur Flächen, sondern auch große dreidimensionale Bauteile schnell,
effizient und völlig individuell mit gedruckten Funktionen versehen
werden. Das ermöglicht auch höhere Funktionsdichten bei Bauteilen und
Baugruppen. Zudem sind die aufgetragenen Strukturen deutlich leichter
als Kabelstränge und zugleich so robust, dass sie sich zusammen mit den
Werkstücken im Presswerk umformen lassen, ohne ihre Funktionalität zu
verlieren.
Innovativer Anlagen- und Maschinenbau
Die Anforderungen an moderne Fertigungsprozesse, wie höchste
Flexibilität bei gleichzeitiger Präzision und Ressourceneffizienz,
erfordern einen grundlegenden Wandel in der Produktion. Deshalb rücken
eine konsequente Digitalisierung der Produktionsprozesse sowie Lösungen
auf Basis kognitiver Programmierung oder Künstlicher Intelligenz immer
stärker in den Fokus. Welchen entscheidenden Beitrag diese zur
Wertschöpfung leisten können, zeigen unsere aktuellen
Forschungsergebnisse zur Hannover Messe.
Kognitive Programmierung: Produktionsroboter lernen neue Aufgaben schnell und intuitiv direkt vom Menschen
Bei der Bahnplanung von Produktionsrobotern bieten kognitive
Fähigkeiten vor allem für Kleinserien bzw. in der Einzelfertigung einen
großen Mehrwert. Aber wie können die Roboter ohne aufwändige
Programmierung schnell und intuitiv neue Aufgaben lernen? 3D-Sensorik
verleiht ihnen ›Augen‹ und intelligente Algorithmen interpretieren
Befehle, Bewegungen und Handlungen einer Bedienerin oder eines
Bedieners. Der Roboter lernt also direkt vom Menschen. Im Rahmen eines
Projekts der Forschungsallianz ›3Dsensation‹ konnte die dafür notwendige
Prozesskette von der 3D-Datenakquisition und -verarbeitung, über die
Bahnplanung und die Code-Generierung bis hin zur Ansteuerung eines
Industrieroboters aufgebaut werden. Aufwändige Programmierarbeiten
entfallen und flexible Kinematiken ermöglichen bahngenaue Bewegungen.
Adaptive Profilschienenführung mit Piezoaktorik: Weniger Verschleiß in Werkzeugmaschinen dank einstellbaren Anpressdrucks
Die klassische Profilschienenführung in Werkzeugmaschinen steht immer
vor einem Zielkonflikt: verschleißarmer Betrieb einerseits oder hohe
Präzision durch hohen Anpressdruck anderseits. Maschinenbetreiber müssen
sich vorab auf eine Druckstärke, also eine Vorspannungsklasse
festlegen. Im Betriebsalltag wird dann meist zu viel Vorspannung
genutzt, was die Maschinen unnötig früh verschleißen lässt. Das
Fraunhofer IWU hat eine Lösung für dieses Problem entwickelt: Mittels
sogenannter Piezoaktorik lässt sich die Vorspannungsklasse hochdynamisch
im Betrieb einstellen. Die Fraunhofer-Forschenden haben dafür
zusätzliche Aktoren an den Führungswagen angebracht, die den
Anpressdruck je nach Bedarf steuern. Die Größe und Abmessungen des
Führungswagens wurde dafür nicht verändert. Bestehende Werkzeugmaschinen
können mit dieser Technologie nachgerüstet und damit wirtschaftlicher
betrieben werden.
Souveräner Datenaustausch zwischen Werkzeugmaschinen über Unternehmensgrenzen hinweg
Sensible Produktdaten souverän über Unternehmensgrenzen hinweg teilen
und gemeinsam verarbeiten – das geht mit IDS-Connectoren der
International Data Spaces (IDS). Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des Fraunhofer Clusters of Cognitive Internet
Technologies CCIT haben dafür zusammen mit dem Fraunhofer IWU die
Software von IDS-Connectoren steuerungsnah mit einer Werkzeugmaschine
verbunden. Rechtevergabe, Übermittlung und Löschen der Daten sowie eine
mögliche Auftragsvergabe und -erteilung erfolgen automatisch direkt über
die Maschine. Unternehmen können auf diese Weise ihre Innovationen
schützen und zugleich am Erfolg von Digitalisierungsprojekten in der
Industrie teilhaben.
Qualitätsprüfung mit Künstlicher Intelligenz: Schneller Werkstofftest bei der Blechbearbeitung optimiert Produktionsprozesse und reduziert Ausschuss
Die Forschenden am Fraunhofer IWU haben ein neuartiges Verfahren für
die Eingangsprüfung von Blechen in der Fertigung entwickelt. Dabei
werden bewährte Belastungstests und eine KI-Software kombiniert. Mit
Maschinellem Lernen kann man mittels eines Werkstofftests noch vor dem
ersten Bearbeitungsschritt eine Prognose über das Verhalten des
Materials während der Fertigung erstellen und damit beurteilen, ob es
den Qualitätsanforderungen genügt. Nötig ist dafür nur eine kurze
Kraft-Weg-Verformungsmessung an einem kleinen Teil des Blechs. Der
gesamte Prüfvorgang ist bereits nach 15 Sekunden abgeschlossen. Die
KI-Software wurde von den Expertinnen und Experten am Fraunhofer IWU
programmiert. Sie funktioniert mit den gängigen Steuerrechnern der
Prüfanlagen in den Fabriken und ist somit unkompliziert integrierbar.
Das Risiko von Qualitätsschwankungen bis hin zum Ausschuss in der
Produktion lässt sich mit dem KI-Werkstofftest deutlich senken.
Energie und Mobilität mit Wasserstoff
Wasserstofftechnologien können einen großen Beitrag dazu leisten, Klimaneutralität in einer modernen, ressourcenschonenden und gleichzeitig wertschöpfenden Gesellschaft zu erreichen. Mit Blick auf die Mobilität muss es daher gelingen, den wirtschaftlichen Durchbruch von Brennstoffzellen national und international zu beschleunigen und die Einzeltechnologien von der Forschung rasch in die industrielle Anwendung zu überführen.
-> Zur News des Fraunhofer IWU.
Bild ©Fraunhofer IWU: CoolGear: Umweltfreundliche und ultraleichte Getriebe für Elektroantriebe mit konturnaher Innenkühlung ohne Schmiermittel.