Ehemalige HZDR-Doktorandin erhält Preis der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft
Ein bis dahin unbekanntes Phänomen, das bei der Strukturierung lasergetriebener Protonenstrahlen auftreten kann, hat Dr. Lieselotte Obst-Hübl während ihrer Promotion am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) entdeckt und entschlüsselt. Für diese und ähnliche exzellente Leistungen verleiht die Amerikanische Physikalische Gesellschaft (APS) an die ehemalige Doktorandin des HZDR, die derzeit am Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien die Beschleunigung elektrisch geladener Teilchen durch ultrakurze Laserpulse erforscht, mit dem Preis für die beste Doktorarbeit in der Strahlenphysik.
Eigentlich sind Protonen – elektrisch positiv geladene Teilchen – die
schweren und trägen Vertreter in den Atomen. Doch wenn ein stark
fokussierter, hochintensiver Laserpuls wie vom HZDR-Hochleistungslaser DRACO
ihre Ruhe stört, können auch sie hohe Geschwindigkeiten erreichen.
Genau diesen Prozess untersucht Lieselotte Obst-Hübl seit ihrer
Diplomarbeit an der TU Dresden, für die sie schon im Jahr 2014 erste
experimentelle Erfahrungen am HZDR sammelte. Die APS-Jury beeindruckte
nun vor allem die Vielseitigkeit ihrer Forschung. So konnte die
Physikerin einerseits eine praktische Lösung finden, um die
Wiederholrate der aufwendigen Laserexperimente zu verbessern.
Andererseits aber auch ein grundlegendes, physikalisches Phänomen der
Teilchenbeschleunigung enthüllen.
Strukturen im Strahl
„Das war schon ein ziemliches Highlight während meiner Doktorarbeit“,
berichtet Lieselotte Obst-Hübl. „Ich konnte dabei den kompletten
wissenschaftlichen Prozess von ‚Keine Ahnung, um was es sich bei dieser
Erscheinung handelt‘ bis zur endgültigen Erklärung durchlaufen – also
genau das, was das Wesen aller Forschung ausmacht.“ Dank diesem
Forscherinnendrang konnte sie gemeinsam mit ihren Dresdner Kolleg*innen
zeigen, dass häufig auftretende Abweichungen im vorhergesagten Profil
von Protonenstrahlen nicht, wie bis dahin vermutet, auf die
Wechselwirkung zwischen dem Laser und dem Target – dem Material, auf das
der Puls trifft – zurückgeht. Vielmehr übertragen quasi-statische
elektrische Felder, die unter bestimmten Bedingungen in der Vakuumkammer
– dem Ort, an dem der Laser das Target in ein Plasma verwandelt –
auftreten, die Eigenschaften des Laserpulses auf den Protonenstrahl.
„Diese Felder fungieren quasi als Speichermedium, da in ihnen die
Protonen abgelenkt werden“, erklärt Obst-Hübl. „Strukturen, die der
Laser vor dem eigentlichen Target trifft, werden aus diesem Grund auch
im späteren Protonenstrahl abgebildet.“ Wie die Wahl-Kaliforniern und
ihre Dresdner Kolleg*innen zeigen konnten, lässt sich der Effekt über
den Druck in der Vakuumkammer ein- und ausschalten. „Und das hat uns die
Möglichkeit eröffnet, mit rein optischen Methoden das Profil des
Protonenstrahls gezielt zu beeinflussen“, fasst Obst-Hübl zusammen. Auch
der zweite Aspekt ihrer Doktorarbeit hat direkte praktische
Auswirkungen auf die Laser-Teilchenbeschleunigung: die
Laser-Protonenbeschleunigung mittels erneuerbarer Targetsysteme, zum
Beispiel in Form eines kontinuierlichen, tiefkalten Wasserstoff-Strahls.
Praktischer Nutzen für das gesamte Feld
Gerade bei der Laser-Protonenbeschleunigung müssen Forscher*innen vor
allem feste Materialien, wie dünne Folien aus Metall, verwenden. Die
Versuche gestalten sich dadurch jedoch aufwendiger, da sie die Targets
öfter austauschen und anschließend die Vakuumkammer jedes Mal wieder
exakt einrichten müssen. Lieselotte Obst-Hübl konnte zeigen, dass sich
auch mit einer gefrorenen Säule aus Wasserstoff als Target ein
Protonenstrahl von hoher Qualität erzeugen lässt. „Da es sich dabei ja
um einen flüssigen Stoff handelt, der einfach nachfließt, erneuert sich
das Target in diesem Fall mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 Metern
pro Sekunde ständig neu“, beschreibt Obst-Hübl den Prozess. „Dadurch
lassen sich die Experimente viel effizienter durchführen und schneller
wiederholen.“
Diese beiden Erfolge bringen die Laser-Teilchenbeschleunigung nach Ansicht ihres ehemaligen Betreuers, Prof. Ulrich Schramm, einen großen Schritt näher in Richtung Anwendung. Der Leiter des HZDR-Instituts für Strahlenphysik hatte seine frühere Doktorandin deswegen für den Preis der APS vorgeschlagen: „Es freut mich sehr, dass die Jury Lieselotte Obst-Hübl ausgewählt hat. Die Auszeichnung zeigt, dass das Knowhow unserer Teams und unsere Infrastruktur exzellente Doktorandinnen und Doktoranden nach Dresden zieht, die nach ihrer Promotion in der ganzen Welt gefragt sind.“ So erhielt die Laserphysikerin bereits kurz nach Verteidigung ihrer Doktorarbeit 2019 ein Angebot des Lawrence Berkeley National Laboratory, an dem sie einen neuen experimentellen Aufbau für den Petawatt-Laser BELLA betreut.
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Foto ©HZDR/Christian Essler: Dr. Lieselotte Obst-Hübl, ehemalige HZDR-Doktorandin und Laserphysikerin.